Jung und männlich. So könnte man die Startup-Szene auf den ersten Blick beschreiben. Laut European Startup Monitoring (ESM) sind europäische Startup-Gründer durchschnittlich zwischen 25 und 34 Jahre alt. Und: 85 Prozent sind Männer, nur 15 Prozent Frauen. In Österreich ist die Geschlechterverteilung beinahe ident. Es gibt zwar viele Unternehmerinnen, aber nur wenige im innovativen Startup-Bereich. Da drängt sich die Frage nach dem Warum auf. Ist die Startup-Szene ein Club der jungen Herren?

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Mädchen blau, Buben rosa

Eine logische und in Gesprächen häufig genannte Erklärung dafür liegt in der unterschiedlichen Sozialisierung. „Es geht darum, wie Mädchen im Gegensatz zu Buben erzogen werden, was sie vorgelebt bekommen, wie man mit ihnen umgeht“, sagt Lisa-Marie Fassl, Geschäftsführerin der Non-Profit-Organisation „Austrian Angels Investors Association“, die Gründer mit potenziellen Investoren verknüpft. Mädchen werden dazu angehalten, brav und zurückhaltend zu sein und es jedem Recht machen zu wollen. Buben müssen sich von Beginn an beweisen und wettbewerbsorientiert denken. All das fließt später in die Ausbildungs- und Berufswahl mit ein. „Das ist ein hausgemachtes Problem“, findet Fassl. Hinzu kommt, dass Startups in der Regel sehr technikorientiert sind. „Oft sind Programmierkenntnisse nötig“, erklärt Tanja Sternbauer, ehemalige Gründerin und heute Managing Partner bei Startup Live, das Events für künftige Gründer und Gründerinnen veranstaltet. Wenn das Know-How und der Zugang zum Netzwerk fehlen, gibt es zu wenig Berührungspunkte.

Frauen sind gut im Tiefstapeln

Dafür fällt auf: Frauen achten eher auf Details, reifen ihre Ideen bis zur Perfektion aus, holen sich vorab erstes Kundenfeedback, denken die Finanzierung an – und gehen erst dann mit ihrer Idee auf die Suche nach Investoren oder zu einem Pitching-Event. Oder, anders gesagt: Startup-Gründerinnen handeln durchdachter. Sie haben mehr vorzuweisen, versprechen aber weniger. Diese Erfahrung haben sowohl Sternbauer als auch Fassl gemacht. „Wir sind vorsichtiger, zurückhaltender und wollen erst den Beleg, dass wir etwas gut können, damit wir uns nicht blamieren“, sagt Sternbauer. Sie hat darüber hinaus beobachtet, dass Gründerinnen nicht unbedingt auf ein rapides Wachstum ihres Unternehmens abzielen – was aber ein Charakteristikum von Startups ist. „Frauen sind ganz gut darin, tiefzustapeln“, bringt es Fassl auf den Punkt.

Familienplanung als Hindernis?

Eine der wichtigsten Fragen für Startups ist: Was wollen die Investoren? Und: Stehen Familienplanung oder eine mögliche Schwangerschaft dem weiblichen Startup-Glück im Weg? Dass man als Frau generell im Nachteil ist, glauben Sternbauer und Fassl jedenfalls nicht. „Investoren bringen ihr eigenes Geld ein. Natürlich müssen sie abschätzen, ob die Person in den nächsten zwei bis fünf Jahren intensiv im Startup arbeiten kann“, erklärt Sternbauer. Mann oder Frau – das ist nicht die Frage. Vielmehr geht es um Persönlichkeiten. Investoren wollen Menschen, die sich voll und ganz auf das Startup-Leben einlassen, die einen wirtschaftlichen Erfolg zum Ziel haben und in die sie von Beginn an ihr Vertrauen setzen können. „Ein Unternehmen zu gründen ist eine rationale Entscheidung. Man wird nicht ein Startup gründen und ein halbes Jahr später schwanger werden. Und wenn, dann gibt es Lösungen und Konzepte“, ist Fassl überzeugt. Nachsatz: Der große Vorteil sei die freie Zeiteinteilung, der Nachteil das Fehlen an Unterstützungsmöglichkeiten.

„Gründerinnen bringen eine unfassbare Leidenschaft mit – und genau diese emotionale Komponente macht den Unterschied.“

Investoren wollen gemischte Teams

Bei all den scheinbaren Nachteilen haben Frauen aber auch einen entscheidenden Vorteil: Sie fallen in der Szene (noch) auf. „Leider nutzen die meisten das zu wenig“, findet Fassl. Aber: „Gründerinnen bringen eine unfassbare Leidenschaft mit – und genau diese emotionale Komponente macht den Unterschied.“ Wer gut vorbereitet sei und sich auf die Bühne traue, habe in der Regel gute Karten, weil Frauen in der Startup-Szene aktuell sehr gefördert würden. Ein weiterer Pluspunkt: Viele Investoren bevorzugen erfahrungsgemäß gemischte Teams. Das sei spannender und von einer ganz anderen Dynamik geprägt als reine Männerteams. Ein guter Personenmix und ein offenes Kommunikationsverhältnis sind dabei ausschlaggebend. Bislang werden die Rollen allerdings auch in gemischten Teams meist klischeehaft verteilt: Der Mann ist Gründer, die Frau als Kommunikatorin für PR und Marketing zuständig.

Fazit: Es ist noch Luft nach oben

Wobei Sternbauer mit dem Frauenanteil bei ihren Live-Pitching-Events schon sehr zufrieden ist. Sie schätzt ihn auf durchschnittlich 40 Prozent ein. Erfolgreiche Beispiele für weibliche Startups gebe es vor allem da, wo die Eintrittsbarrieren niedriger sind. Beispiele dafür sind etwa eine Plattform für Frauenbekleidung in Übergröße oder ein Onlinehandel für Kunst. Welchen Tipp haben die beiden Expertinnen für potenzielle Gründerinnen? „Einfach tun – sich nicht so viele Gedanken machen, mehr zutrauen, mutiger sein“, rät Fassl. „Netzwerken und sich jemanden suchen, der älter ist und Erfahrung hat – uns zwar weibliche und männliche Mentoren“, gibt Sternbauern künftigen Unternehmerinnen mit auf den Weg.

Zum Netzwerk Femalefounders:

Gemeinsam mit Nina Wöss haben Tanja Sternbauer und Lisa-Marie Fassl das Netzwerk Femalefounders gegründet. Ziel ist es, Frauen innerhalb der Startup-Szene miteinander zu verbinden. Und zwar durch Events, Mentoring und die Plattform www.femalefounders.at.

Veröffentlicht am 16. August 2017

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