Startups werden in den Medien immer präsenter. Allerdings sind es häufig Erfolgsmeldungen, die verbreitet werden. So wundert es nicht, dass verschiedenste Mythen kursieren. EntrepreNews* hat drei Start-ups befragt, was sie für die größten Irrtümer halten und einen Experten um seinen Kommentar gebeten.

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Über ungelegte Eier spricht man nicht

Thomas Weiss, Founder und Chief Technical Officer Authentic Vision,
studierte an der FH Salzburg Informationstechnik und System-Management. 2012 gründete er mit seinem Partner Jürgen Mathwich Authentic Vision. Das Start up entwickelt mobile Lösungen zur Entlarvung von Produktfälschungen. Dolby Family Ventures investierte 2014 gemeinsam mit mehreren Business Angels eine sechsstellige Summe in das Unternehmen. www.authenticvision.at

„Viele Start-up sprechen nicht offen über ihre Idee, aus Angst vor Nachahmern. Dabei wäre das ganz zentral. Seine Idee nicht zu verbreiten, ist einer der größten Fehler, denn man als Start-up machen kann. Wer nicht darüber spricht, wird auch kein Geld damit machen. Wichtig ist, nicht nur Kunden miteinzubeziehen, sondern so viele Leute wie möglich, damit sich der Gedanke multipliziert. Es macht keinen Sinn, mit einem Produkt erst rauszugehen, wenn es fertig und dem eigenen Empfinden nach perfekt ist. Denn dann kann es passieren, dass man viel Zeit, Energie und Geld investiert hat, das Produkt am Markt aber nicht gebraucht wird. Sich Feedback in einer frühen Phase der Produktentwicklung einzuholen, ist ganz essentiell. Und hier tut sich auch schon der nächste Irrtum auf. Nur weil potenzielle Kunden die Produktidee toll finden und dir eine große Zukunft voraus sagen, heißt das noch lange nicht, dass sie das fertige Produkt dann auch kaufen. Wer ehrliches Feedback will, muss verbindliche Gespräche mit Kunden führen und sich auch vertraglich absichern.“

Was der Experte sagt? Ohne Austausch mit Dritten lässt sich keine Idee testen oder umsetzen. Aber die Kommunikation der Idee ist abhängig von der Technologie und dem Markt der Idee. Während bei e-Commerce oder Endkonsumenten-Produkten der schnelle Markteintritt notwendig ist um rasch einen Marktvorsprung zu Wettbewerbern zu erreichen, ist vor allem bei neuen technischen Verfahren oder Produktinnovationen für die Industrie höchste Diskretion und Vertraulichkeit essentiell. Wer eine bahnbrechende technische Erfindung verkaufen will, sollte seine Zielpartner äußerst selektiv kontaktieren.

 

Exit ist immer das Ziel

Anja Geretschläger, Founder und Managing Director Feragen,
ist Genetikerin und Molekularbiologin. Sie brachte leicht handhabbare Speichelproben für DNA-Analysen bei Hunden auf den Markt. Damit kann die Anfälligkeit für Krankheiten vorausgesagt und die Rasse eindeutig bestimmt werden, was vor allem in der Hundezucht essentiell ist. Der Finanzbedarf wird derzeit aus Eigenmitteln, einem Bankkredit und kleinen Förderungen gedeckt. www.feragen.at

„In Bezug auf Start-ups wird immer von hochskalierbaren Geschäftsmodellen gesprochen und in den Medien gerne Erfolgsmeldungen von Start-ups verbreitet, die den großen Exit geschafft haben. Dadurch entsteht ein falsches Bild, nämlich dass Exit immer das Ziel sein muss. Für App-Entwickler ist das vermutlich auch so. Aber aus einem Start-up kann sich durchaus auch ein solides Unternehmen entwickeln, das über Generationen besteht. In unserem Business wäre ein Exit der falsche Weg und wir streben das auch nicht an. Wir wollen ein solides KMU schaffen und arbeiten daher an einer Strategie, die auf 20 bis 30 Jahre ausgelegt ist.“

Was der Experte sagt? Der Exit ist für jene Unternehmen ein häufiges Ziel, die in einem extrem agilen Marktumfeld mit kurzen Produktlebenszyklen agieren (Web/Mobile). Da hier eine langfristige Alleinstellung nur selten zu verteidigen ist, erhofft man sich durch den Exit profitabel auszusteigen „wenn es am schönsten ist“.

 

Mit einem Start-up werde ich reich

Gerald Stangl, Co-Founder und Design Director mySugr, ist gebürtiger Salzburger.
Gemeinsam mit drei Partnern brachte er 2012 eine Diabetes-App auf den Markt, die Tagebuch über den eigenen Blutzucker führt und die Reaktion des Körpers auf bestimmtes Essen speichert. Mit den 4,2 Mill. €, die von einer internationalen Investorengruppe 2015 flossen, soll die App weiterentwickelt und in den USA vorangebracht werden. www.mysugr.com

„Ein Start-up zu gründen bedeutet zum einen große Verantwortung und zum anderen großen Verzicht. Das sollte jedem klar sein. Wir haben alle vier privat massiv verzichtet, eine große Wohnung in eine kleine getauscht, das Auto verkauft, keine Urlaube mehr gemacht und uns wirklich auf das wesentlichste und notwendigste fokussiert. Es sollte jedem klar sein, dass das große Geld vielleicht nie kommt und nicht die primäre Motivation sein darf. Ich halte es für grundlegend falsch, wenn die Kernmotivation hinter der Start-up-Gründung der große Exit ist. Denn das wird nicht funktionieren. Unser Ziel war es, die Lösung für ein Problem zu schaffen, das weltweit Millionen von Menschen haben. Obwohl unser Unternehmen schon seit einiger Zeit solide finanziert und auch erfolgreich ist, zahlen wir uns selbst erst seit Mitte 2015 regelmäßige Gehälter nach Kollektivvertrag aus. Davor sind wir gerade mal über die Runden gekommen. Durchhaltevermögen, Zähigkeit und Verzicht sind Eigenschaften, ohne die sich in den meisten Fällen kein Start-up aufbauen lässt.“

Was der Experte sagt? Ein Unternehmen zu gründen, bedeutet ein wenig Inspiration gewürzt mit viel Transpiration zu vereinen und das Ganze dann am Markt erfolgreich zu realisieren. Ein positives Ergebnis ist ein Resultat aus vielen Tätigkeiten, Chancen und Inputs, die möglichst ressourcenschonend eingesetzt wurden. Provokant könnte man formulieren: Gewinn ist ein unvermeidbares Endergebnis, wenn nach harter Arbeit und geschicktem Manöver letztlich Konsumenten ihr Geld für das bestimmte Produkt ausgeben.

Zur Person/Experte:

Bernd Litzka zeichnet verantwortlich für die i2 Business Angels Vermittlungsservice der AWS, einer Förderungsbank des Bundes. Der ausgebildeter Chemiker und promovierte Betriebswirt entwickelte selbst bereits mehrere patentrechtlich geschützte Innovationen, die er erfolgreich über nationale und internationale Investoren vermarktete.

Veröffentlicht am 7. Oktober 2016

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