ABIOS ist eine mobile Anwendung, mit der mentale und körperliche Belastungen präzise und zuverlässig gemessen werden. GPS-Tracking und eine Aktivitätserfassung ergänzen diese Cardio-Echtzeitanalyse. Als Anwender sehen wir damit nicht nur, wo wir uns bewegt haben, sondern auch, was uns tatsächlich in Stress versetzt. Und wer jetzt denkt „ich weiß eh, was mich stresst“, irrt. Warum das so ist, wie unser Körper mit Stress umgeht und wie ABIOS sich aus Forschung und Praxis heraus entwickelte, erzählt uns Anton Kesselbacher, CEO und „Erfinder“ von ABIOS.

Salzburgs Startups

 

 

Wie kommt man auf ABIOS, wo es doch Pulsmessungen zur Belastungskontrolle gibt?

Anton Kesselbacher: Als Techniker und Sportwissenschafter entwickelte ich unter anderem für meine Tätigkeit als Salzburger Landes-, sowie Bundestrainer beim Österreichischen Triathlonverband eine mobile Herz-Raten-Variabilitäts-Diagnostik mit dem Ziel, die Sportler vor Überlastung zu schützen und das Training zu optimieren. Ein Ziel, das mit herkömmlichen Puls- oder auch Herz-Raten-Variabilitätsmessungen nicht ausreichend abgedeckt ist. Denn, überlastet ein Leistungssportler langfristig, ist sein Ruhepuls sehr niedrig. Mit unserer Diagnostik sehe ich viel genauer, wie es dem Menschen wirklich geht, wie belastet er ist und den Grad seiner Entspannung. Und gerade das ist für ein breites Einsatzgebiet interessant.

Hat der Pulsmesser nun ausgedient? Oder anders gefragt: ersetzt ABIOS den klassischen Pulsmesser?

Anton Kesselbacher: Nein. Eine Pulsmessung macht für den Freizeitsportler nach wie vor Sinn, denn damit kann man sehr schnell abschätzen ob man sich bei einem Fitnesstraining im richtigen Bereich befindet. Für Personen, die exaktere Aussagen erwarten, klare Ziele haben, eine Überlastung vermeiden oder eine Therapie kontrollieren möchten, reicht das jedoch nicht aus. Dafür haben wir ein Verfahren geschaffen, das individualisiert und millisekundengenau Schwankungen der Herztätigkeit analysiert und so sehr viel präzisere Aussagen ermöglicht.

Ihr musstet neue Anwendungsszenarien identifizieren, um aus dem Tool für den Spitzensport mehr zu machen. Welche Nachfragemärkte habt ihr identifiziert?

Anton Kesselbacher: Ja. Der Spitzensport ist ein Markt mit Grenzen. Wir haben gesehen, dass ABIOS bei Überlastung in beruflichen Situationen gut einsetzbar ist. Kommt jemand in die Burnout-Situation, funktioniert die Pulsmessung ebenfalls nicht mehr. Diese Erfahrung haben wir aus dem Leistungssport mitgenommen. Manager erleben Stress bewusst und erleben Druck oft als motivierend. Bis hierhin ist es eigentlich kein Problem. Es gibt aber eine Grenze, wo es dann in die Überlastung kippt. Und diese Grenze spüren wir Menschen normalerweise nicht. Wenn sie etwas spüren, dann häufig zu spät und ihre Karriere ist gelaufen. Ich sehe mit ABIOS auch ganz klar, was mich wirklich entspannt. Also nicht, was glaube ich, das mich entspannt, sondern was entspannt mich tatsächlich. Coaches, Mentaltrainer und Physiotherapeuten nutzen ABIOS ebenfalls bei ihrer täglichen Arbeit. Klienten können damit gut nachvollziehen und in Echtzeit „sehen“, welche Methode am besten auf ihren Körper wirkt und was sie tun müssen, um nicht dauerhaft in der Überlastung zu sein. Für uns gibt es drei Anwendermärkte: den Endkunden – also der Leistungs- oder Freizeitsportler, der sein Training kontrolliert; den Markt der privaten und betrieblichen Gesundheitsförderung bis hin zum therapeutischen und medizinischen Sektor. Darüber hinaus stellen wir unsere Verfahren und Algorithmen Partnerinstituten über sogenannte White Label-Lösungen zur Verfügung.

Die Entwicklungsgeschichte von ABIOS beginnt früh. Was waren die wichtigsten Milestones bis daraus eine Business Idee wurde?

Anton Kesselbacher: 2001 habe ich angefangen für meine Sportler ein System zu entwickeln, um eine Trainingsüberlastung zu vermeiden. Also aus einer eigenen Bedürfnislage heraus. 2006 hat es dann das erste Mal ein online System gegeben, wo wir die Daten der Sportler erfassen konnten.
Erst dann haben wir uns auf den Weg gemacht und ein marktfähiges Produkt daraus entwickelt. 2012 wurde die erste App dazu entwickelt um die Messung zu vereinfachen. Ein Jahr später erfolgte die Aufnahme in das damalige Salzburger Inkubationsprogramm BCCS. Von da an habe ich die Diagnostik für jedermann – also über den Markt des Sports hinausgehend – weiterentwickelt. Und 2015 wurde die ABIOS GmbH mit Unterstützung erster Business Angels gegründet.

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Du hast bei der Entwicklung des Systems immer wieder mit der Uni Salzburg zusammengearbeitet. Wie hat diese Zusammenarbeit ausgesehen?

Anton Kesselbacher: Der Konnex zur Universität Salzburg war von Beginn an da, nicht nur, weil ich dort Sportwissenschaften studiert habe. Wir haben mit der Sportpsychologie sportwissenschaftliche Interventionsstudien begleitet und damit unser System fundiert weiterentwickelt. Über eine Kooperationsförderung – ein Förderprojekt des Landes Salzburg – konnten wir mit dem Z-GIS der Uni Salzburg unser System um technische Aspekte, wie GPS-Tracking, erweitern. Auch den Innovationsscheck haben wir genutzt.

Was kannst du anderen Startups mit auf den Weg geben?

Anton Kesselbacher: So schnell wie möglich auf den Markt gehen und so schnell wie möglich Feedback von Kunden holen. Auch wenn es nur ein Prototyp ist, der nur am Papier existiert. Man entwickelt sonst zu lange und oft am Markt vorbei – der Kunde will dann etwas ganz anderes. Mein Vorteil war, dass wir immer den unmittelbaren Kontakt zu Sportlern und Medizinern hatten und ABIOS direkt über den Markt her optimieren konnten.

Gibt es abseits der Produktentwicklung noch weitere „lessons learned“ aus der Gründungsphase?

Anton Kesselbacher: Ja, da gibt es einiges. Netzwerke gehören zu den wichtigsten Dingen, die beim Marktaufbau helfen. Ein gutes Team zu haben, ist ein weiterer kritischer Erfolgsfaktor. Am Anfang war ich alleine, und musste alles machen. Meist ist es aber so, dass der, der das System entwickelt, nicht immer auch ein guter Verkäufer, ein guter Finanzmanager, ein guter Programmierer gleichzeitig ist oder einen erfolgreichen Marktauftritt kreieren kann. Wichtig ist zu erkennen, was man gut kann und wofür man Partner braucht. Man muss sich auf sein Know-how konzentrieren.
Und als dritten Lerneffekt sehe ich den selektiven Umgang mit Pitch-Veranstaltungen bei der Investorensuche. Ich habe dies anfangs sehr intensiv betrieben. Mittlerweile meide ich Großveranstaltungen, wo mehrere hundert Startups präsentieren. Das ist völlig sinnlos. Zudem gibt es mittlerweile viel zu viele Möglichkeiten zu präsentieren. Man muss eine gute Balance finden und abschätzen was wichtiger ist: den fünften Businessplan zu schreiben oder den fünften Kunden an Land zu ziehen. Bei erklärungsbedürftigen Produkten ist die Präsentation oft nicht in zwei Minuten erledigt. Habe ich Zeit, auf Fragen zu reagieren, ist für mich ein wichtiges Kriterium.

Du hast vor vielen Jahren alleine begonnen. Wie sieht das ABIOS-Team heute aus?

Anton Kesselbacher: Das Kernteam besteht derzeit aus Josef Seibl, er ist der CTO im Team, Bernhard Feldbacher, der als IT-Spezialist und Programmierer mitarbeitet und mir, als Geschäftsführer.

Hast du Wachstumspläne? Falls ja, wie sehen die nächsten Jahre aus?

Anton Kesselbacher: Wir wachsen ständig. Mit 12 Entwicklerstunden pro Wochen haben wir 2016 begonnen und mittlerweile liegen wir bei 60 Stunden Entwicklerleistung pro Woche. Im Juli sind wir für Endkunden mit einer App in den Play Store gegangen. In B2B-Bereich haben wir einen interessanten Vertriebspartner für Therapeuten und Coaches gewonnen. Die dritte Säule – die White Label-Lösung – betreue ich. Hier arbeiten wir gerade an einem Sonderprojekt mit dem Red Bull Innovation Office zusammen, um für TV-Zuseher mit ABIOS eine neue Erlebnisdimension des Extremsports zeigen zu können.
2018 bis 2019 wollen wir mit allen drei Säulen in den DACH-Markt einsteigen und anschließend internationalisieren.

Gibt es auch Produktentwicklungspläne?

Anton Kesselbacher: Ja, auch da wissen wir bereits, wie der nächste Zusatznutzen für Kunden aussehen muss. Genaueres möchte ich dazu noch nicht sagen.

Und in Sachen Investment?

Anton Kesselbacher: 2015 erhielten wir ein Start-Investment, mit dem wir unser Produkt marktreif machen konnten. Das haben wir nun auch geschafft. Für den größeren Marktauftritt brauchen wir nun ein Folgeinvestment oder geeignete Partnerschaften. Wir sind auf Investorensuche, weil wir nun ready für ein rasches Wachstum sind.

Veröffentlicht am 30. August 2017

Alexandra war der Service-Point für Gründungsinteressierte an der Uni Salzburg. Nach dem Studium der Kommunikationswissenschaften und Marketing hat sie sich auf’s Vermarkten und Kommunizieren technischer und nicht-technischer Innovationen spezialisiert.

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