Das Silicon Valley ist in Hollywood angekommen. Die Verfilmung des Bestsellers The Circle mit Emma Watson und Tom Hanks ist derzeit in unseren Kinos zu sehen. Wir haben ihn gesehen und einen Silicon Valley-Experten gefragt, ob das im echten Leben so ist wie auf der Leinwand.

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Wie geht es wirklich zu, im Land der unbegrenzten Entrepreneur-Träume? Zwischen unserer Kinokritik, lassen wir einen zu Wort kommen, der es wissen muss. Mario Herger lebt seit 2001 im kalifornischen Startup-Mekka und leitet das Beratungsunternehmen Enterprise Garage Consultancy. Er forscht nach Technologietrends, schreibt Bücher über den Entrepreneurgeist Kaliforniens und berät Unternehmen zum Silicon Valley Mindset. Der gebürtige Wiener unterstützt Firmen, den Spirit aus dem Valley zu verinnerlichen.

 

Der Silicon Valley Way of Life

 

 

MOVIE

Gigantische Machtkonglomerate ideologischer Technologiekonzerne, Surfer-Mentalität zwischen iMacs und Kaffeehäferl und endlose Überwachungsstrukturen. Basierend auf dem erfolgreichen Roman The Circle von David Eggers, spielt der gleichnamige Film im Zentrum des allgegenwärtigen Mekkas des (digitalen) Lebens. Im Silicon Valley.
Wie Motten ins Licht, schwirren hunderte junge, kluge Menschen in das kreisrund gebaute fiktive Unternehmen The Circle. Sie alle wollen Teil dieser glorifizierten Welt sein, die an Google, Apple oder Facebook erinnert.

Unter ihnen auch Mae Holland, gespielt von Emma Watson. Die anfänglich etwas mauerblümchenhaft anmutende Amerikanerin bekommt die Chance auf ein Bewerbungsgespräch, punktet mit ihrem übereifrigen Ehrgeiz und wird schließlich zum gefeierten Shooting Star der digitalen Transparenzkultur. Die Arbeit wird zu ihrem Lebensmittelpunkt.

REALITY

Mario Herger: Da viele Menschen in kreativen Berufen arbeiten sind fixe Arbeitszeiten hinfällig. Ich kann nicht innovativ und kreativ zwischen 9 und 17 Uhr sein. Oft beginnen Telefonate um 6 Uhr früh. Dann fährt man um 10 Uhr ins Café, bevor man im Büro auftaucht. Um 16 Uhr holt man die Kinder von der Schule ab und um 20 Uhr zieht man sich einen Netflix-Spielfilm rein. Während man noch E-Mails erledigt oder Calls mit Indien und China hat. Verschwimmen damit Arbeit und Privatleben? Ja klar, weil das sogar der natürlichere Ansatz ist. Dafür gehe ich um 14 Uhr mal joggen oder auf einen Spaziergang. Es ist uns viel ähnlicher als man glauben möchte, wenn man solche Filme sieht.

 

Streberin mit Hang zur Überwachungskultur

 

MOVIE

Wie schnell sich Mae zur Botschafterin der totalen Überwachung mausert, war wahrscheinlich schon manchem Leser nicht geheuer und wird wohl auch dem Kino-Besucher das ein oder andere Stirnrunzeln ins Gesicht schreiben. Die Wertvorstellungen des Gründers Eamon Bailey (Tom Hanks) wird von seinen Jüngern aufgesogen wie das Testament. Gottesgleich. Das indoktrinierte Gedankengut ohne Widerwillen hinuntergeschluckt und in die Welt hinausgetragen. Reflektion? Fehlanzeige. Raum für Individualität oder Privates gibt es kaum. Jeder der makellosen Mitarbeiter verschreibt sich der Firmenidentität. Mit Haut und Haar. Die New Work Philosophie, die auf die Leidenschaft der Mitarbeiter setzt, wird weit überschritten.

REALITY

Mario Herger: Im Film wird dramaturgisch überzeichnet. Man darf das bitte nicht verwechseln. Glaubte ich deutschen Filmen, dann wären unsere Polizisten alle raubeinige Schimanskis und die Städte von Mordserien erschüttert. Ein Elon Musk, Mark Zuckerberg oder Steve Jobs kann natürlich nicht ohne Menschen mit Leidenschaft, die an das Ding glauben, erfolgreich sein. Aber wenn es mir nicht passt, dann finde ich sehr schnell einen anderen Job. Hier gibt’s keine Kündigungsfristen. Es gibt sogenannte “at will”-Verträge. Ich kann heute kündigen und gleich woanders anfangen. Allerdings frage ich mich, wer denn eigentlich in einem Beruf sein Leben lang bleiben möchte, wo er nicht zufrieden ist oder unglücklich wird? Wenn die Menschen keine Leidenschaft dafür haben, warum bleiben sie dann im Job und warum fänden wir das normal?

Der Trip ins Valley

 

Lieblose Ausführung in einer Blase aus blassen Charakteren

 

MOVIE

Mae geht noch einen Schritt weiter. Sie lässt sich und alle ihre Wohnräume mit Kameras ausstatten um 24 Stunden lang ihr Leben im Dienste der Transparenz aufzuzeichnen. Das darf die ganze Welt via Social Media kommentieren. Erinnert irgendwie an Big Brother, schließlich ist das alles freiwillig. Aber die Idee ist viel größer, Bailey will jeden kleinen Winkel des Planeten mit Mini-Kameras ausstatten. Sicherheit und Frieden durch totale Überwachung.

REALITY

Mario Herger: Apple ist bekannt dafür, eine sehr strikte und rigorose interne Politik der Kommunikation nach außen zu haben. Auch Tesla. So große Unternehmen müssen das machen, auch unsere Unternehmen wollen nicht, dass irgendwelche Gerüchte herumschwirren. Bei Apple gehört diese Art von Kommunikationskontrolle auch zum Kult der Marke. Allerdings auch hier wieder: The Circle ist ein Spielfilm, der übertreibt gewaltig. Die Unternehmen – auch wenn man sie gerne so zeichnen will – sind keine Nazidiktaturen.

MOVIE

Alleine durch das krankhafte Lechzen nach totaler Überwachung, würde die Geschichte viel für einen düsteren Dystopia-Streifen hergeben. Leider wirkt die Handlung mehr hingerotzt als fein gezeichnet, die Charaktere grundeln in ihrer Blase herum, ohne Ecken und Kanten zu zeigen. Warum es hier an Substanz fehlt, ist fast genauso mysteriös wie Maes wachsende Unterwürfigkeit gegenüber des allmächtigen Circle. Auch der legendäre Tom Hanks schafft es nicht, dem großen Entrepreneur Bailey wirklich Tiefe zu geben. Nach einem offenen Ende bleiben nicht nur große Fragezeichen, sondern auch ein etwas fader Geschmack auf der Zunge.

 

„The Circle“ – im Cineplexx 

Veröffentlicht am 11. Oktober 2017

Auf Schreibwiesen laufend, wie in Sound of Music, nur eben anders. Nach Wien kam London dann Salzburg und jetzt wieder Wien. Mit Salzburg im Herzen hört sie sich nun weiterhin im Einsatz für Startup Salzburg nach spannenden Geschichten und Menschen um.

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